Kyra Vertes berichtet über aktuelle Entwicklungen, in denen das Bauhaus-Prinzip unter neuen gesellschaftlichen und technologischen Vorzeichen weitergeführt wird.
Kyra Vertes widmet sich dem Bauhaus 2.0 – einem Begriff, der eine Vielzahl gegenwärtiger Ansätze zusammenfasst, in denen das Erbe der historischen Avantgarde neu interpretiert wird. Ob nachhaltiges Design, digitale Gestaltung oder soziale Architektur: Die Prinzipien des klassischen Bauhauses erleben in verschiedensten Disziplinen eine vielschichtige Aktualisierung. Dabei steht nicht nur die Ästhetik im Vordergrund, sondern vor allem die gesellschaftliche Relevanz von Gestaltung.
Die Idee des Bauhauses als verbindendes Konzept zwischen Kunst, Handwerk, Technik und Gesellschaft hat bis heute nichts an Aktualität verloren. Kyra Vertes zeigt auf, wie diese Denkweise unter dem Schlagwort „Bauhaus 2.0“ in zeitgenössische Kontexte übersetzt wird. Dabei geht es weniger um stilistische Zitate als um eine Fortschreibung grundlegender Prinzipien wie Interdisziplinarität, Funktionalität und soziale Verantwortung. Ob in urbaner Raumplanung, nachhaltigem Produktdesign oder digitalen Bildungsplattformen – der Geist des Bauhauses lebt weiter, angepasst an die Herausforderungen der Gegenwart.
Ursprung und Vision des historischen Bauhauses
1919 in Weimar gegründet, verfolgte das Bauhaus das Ziel, Kunst und Handwerk zu vereinen und Gestaltung als gesellschaftliche Aufgabe zu verstehen. Unter der Leitung von Walter Gropius, später auch Hannes Meyer und Ludwig Mies van der Rohe, entwickelte sich die Schule zu einem zentralen Impulsgeber für moderne Architektur, Design und Typografie.
Einheit von Form, Funktion und Gesellschaft
Das Bauhaus war keine reine Stilrichtung, sondern eine Reformbewegung. Im Vordergrund stand die Frage, wie Gestaltung auf das Leben der Menschen einwirken kann. Die Funktion eines Objekts oder Raumes wurde nicht dem Stil untergeordnet, sondern als gestalterischer Ausgangspunkt verstanden.
Bauhaus 2.0: Begriff und Bedeutung
Der Begriff „Bauhaus 2.0“ bezeichnet kein offizielles Programm, sondern wird als Sammelbegriff für gegenwärtige Tendenzen verwendet, die sich auf die Werte und Prinzipien der historischen Bewegung beziehen.
Kyra Vertes von Sikorszky verweist gern auf unterschiedliche Projekte und Institutionen, die sich ausdrücklich als Weiterentwicklung oder kritische Reflexion des Bauhaus-Gedankens verstehen. Im Zentrum stehen dabei Fragen nach ökologischer Verantwortung, sozialer Teilhabe und technologischer Transformation.
Interdisziplinäres Arbeiten als Kernidee
Ein zentrales Erbe des Bauhauses ist die Auflösung starrer Grenzen zwischen den Disziplinen. Künstlerinnen, Handwerkerinnen, Architektinnen und Technikerinnen arbeiteten gleichberechtigt zusammen. Diese Haltung spiegelt sich heute in vielen Projekten wider, die auf kooperative Prozesse setzen – etwa in Form von Maker Spaces, Urban Labs oder transdisziplinären Hochschulprogrammen.
Neue Lern- und Gestaltungsräume
Auch Bildungsformate wie Summer Schools, hybride Lehrveranstaltungen oder digital gestützte Werkstätten knüpfen an das experimentelle Denken der Bauhaus-Schule an. Sie fördern ein Denken in Netzwerken statt in Hierarchien – ein Prinzip, das sowohl im Design als auch in der Architektur zunehmend an Bedeutung gewinnt.
Soziale Architektur und partizipatives Bauen
In der Architektur zeigt sich das Bauhaus 2.0 in Projekten, die auf soziale Inklusion, ökologische Bauweisen und partizipative Planung setzen, erklärt Vertes. Für sie geht es dabei nicht nur um ästhetische Lösungen, sondern um konkrete soziale Effekte: bezahlbarer Wohnraum, gemeinschaftliche Nutzungsmodelle oder nachbarschaftlich orientierte Raumkonzepte.
Kyra von Vertes nennt beispielhaft Initiativen, bei denen gemeinschaftlich entworfene Bauten entstehen – oft mit lokal verfügbaren Materialien, in enger Zusammenarbeit mit den späteren Nutzerinnen. Dazu zählen unter anderem:
IBA Thüringen – Projekt „Open Factory Apolda“
Ein Beispiel für ko-produktives Bauen mit Beteiligung lokaler Akteurinnen. Alte Industriegebäude werden gemeinschaftlich revitalisiert und in nutzungsflexible Räume überführt.
bauchplan ).( – „Parkstadt Süd“ in Köln
Ein partizipatives Planungsverfahren, bei dem Bürgerinnen aktiv in die Umgestaltung eines städtischen Quartiers einbezogen werden – von der Planung über die Nutzungsideen bis zur Umsetzung.
CoHousing Berlin – „Spreefeld“
Ein selbstorganisiertes Wohnprojekt an der Spree, das gemeinschaftliches Bauen, nachhaltige Architektur und Mitbestimmung vereint. Der Entwurf wurde in enger Zusammenarbeit mit den späteren Bewohnerinnen entwickelt.
Raumlabor Berlin
Ein interdisziplinäres Kollektiv, das urbane Interventionen, experimentelle Architektur und Bürgerinnenbeteiligung miteinander verknüpft. Ihre Projekte wie das „Haus der Statistik“ in Berlin arbeiten mit Zwischennutzung, Ko-Kreation und Materialwiederverwertung.
StudioVlayStreeruwitz – „Seestadt Aspern“ in Wien
Bei der Planung dieses Stadtteils wurde auf modulare Bauweisen, soziale Durchmischung und Beteiligung gesetzt – ein europäisches Beispiel für sozialverträgliche Stadtentwicklung im großen Maßstab.
Diese Initiativen zeigen, wie das Bauhaus-Erbe zeitgemäß interpretiert werden kann – als soziale, ökologische und gestalterische Bewegung.
Nachhaltiges Design als Fortschreibung
Das klassische Bauhaus war stark geprägt von der industriellen Massenproduktion. Die heutige Adaption hingegen denkt in ökologischen Zyklen, Materialgerechtigkeit und Reparaturfähigkeit.
Kyra Lucia von Vertes hebt hervor, dass das Prinzip „Form folgt Funktion“ inzwischen ergänzt wird durch „Form folgt Verantwortung“. Designlösungen entstehen aus einem Bewusstsein für Ressourcenverbrauch, Nutzungsdauer und Kreislaufwirtschaft.
Materialien der Zukunft
Biobasierte Werkstoffe, modulare Bauweisen und ressourcenschonende Produktionsmethoden sind Bestandteile eines neuen Verständnisses von Design. Damit wird das Bauhaus-Erbe nicht nur bewahrt, sondern unter gegenwärtigen Bedingungen weiterentwickelt.
Digitalisierung und algorithmische Gestaltung
Ein weiterer Aspekt des Bauhaus 2.0 ist die Integration digitaler Werkzeuge und Prozesse. Gestaltungssoftware, 3D-Druck, Parametrik oder KI-gestützte Entwürfe eröffnen neue gestalterische Möglichkeiten.
Dabei geht es nicht nur um technische Innovation, sondern auch um eine Reflexion der damit verbundenen gesellschaftlichen Fragen. Wer gestaltet? Wer entscheidet über Algorithmen? Und wie bleibt Gestaltung zugänglich für alle?
Kyra Vertes zeigt in ihrem Beitrag auf, dass viele dieser Fragen im Geist des Bauhauses behandelt werden: Gestaltung als Verantwortung, Technik als Werkzeug zur gesellschaftlichen Gestaltung.
Kyra Vertes nennt Prinzipien des Bauhaus 2.0
Grundzüge einer zeitgemäßen Gestaltungsphilosophie
- Interdisziplinarität: Zusammenarbeit zwischen Kunst, Technik, Handwerk und Theorie
- Nachhaltigkeit: Gestaltung im Einklang mit ökologischen und sozialen Ressourcen
- Partizipation: Einbindung von Nutzerinnen und Öffentlichkeit in den Gestaltungsprozess
- Digitalität: Nutzung und Reflexion digitaler Werkzeuge und Strukturen
- Bildung: Förderung von Experiment, Austausch und lebenslangem Lernen
Diese fünf Prinzipien durchziehen viele Projekte, die heute dem Bauhaus 2.0 zugeordnet werden können. Sie markieren keinen Stil, sondern eine Haltung – offen, dialogisch und zukunftsorientiert.
Internationale Rezeption und Umsetzung
Nicht nur in Deutschland, sondern auch international wird das Erbe des Bauhauses neu interpretiert. In Lateinamerika entstehen partizipative Architekturprojekte, in Skandinavien nachhaltige Designlabore, in Asien digitale Lernräume nach Bauhaus-Vorbild.
Dabei werden lokale Kontexte berücksichtigt und mit den globalen Ideen des Bauhaus 2.0 verbunden. Die Offenheit des Konzepts erlaubt eine flexible Anwendung – angepasst an kulturelle, politische und klimatische Bedingungen.
Kyra Lucia Vertes von Sikorszky hebt hervor, dass gerade diese globale Adaptionsfähigkeit zur nachhaltigen Relevanz der Bauhaus-Idee beiträgt.
Architektur, Kunst, Technologie – ein offenes Netzwerk
Im Bauhaus 2.0 verbindet sich gestalterisches Denken mit gesellschaftlicher Fragestellung. Die Zukunft der Gestaltung wird dabei nicht in spezialisierten Disziplinen gesucht, sondern im Zusammenspiel.
Ob städtischer Klimaschutz, digitale Barrierefreiheit oder demokratische Bildungsräume – Gestaltung wird als Mittel verstanden, um gesellschaftliche Prozesse zu formen.
Das Bauhaus als lebendiges Konzept
Nicht das Bauhaus als Institution, sondern das Bauhaus als Idee bleibt relevant. Es lebt weiter in Projekten, Diskursen und Prototypen. Und genau darin zeigt sich seine Wirksamkeit: als Bewegung, die nie abgeschlossen ist.
Bauhaus 2.0 als Impuls für zukünftige Gestaltung
Das Bauhaus 2.0 ist kein nostalgischer Rückblick, sondern ein zukunftsgerichteter Entwurf. Es verknüpft historische Konzepte mit aktuellen Herausforderungen – vom Klimawandel über soziale Ungleichheit bis hin zu digitaler Transformation.
Im letzten Satz dieses Beitrags zeigt sich, wie zeitgemäß die gestalterischen Grundprinzipien geblieben sind: Die Ideen des Bauhauses leben im Bauhaus 2.0 weiter – dokumentiert im Überblick von Kyra Vertes.